Zu Besuch: Schottland IV (Edradour/Abreise)
Teil IV
Wie das mit Urlaub dann immer so ist, kommt das Ende immer
schneller als gewollt. Aber auch die Abreise aus Dufftown in Richtung Edinburgh
sollte uns ein paar schöne Momente bereit halten.
An den Linksverkehr hat man sich ja nun mittlerweile
gewöhnt, also nach dem letzten fabulösen Frühstück ab auf die Piste.
Kurzer
Stopp noch bei den weltberühmten FassPyramiden der Speyside-Cooperage nahe
Aberlour.
Eine Führung dort war aufgrund der fehlenden Zeit leider nicht
möglich, hatten wir ja auch bei Balvenie schon einen Einblick in die
beeindruckende Handwerkskunst der Fass-Bauer bekommen können.
Aber allein der Anblick der hier liegenden/aufgetürmten
Zigtausenden Fässer lässt einem schon ehrfürchtig vermuten, was hier für eine
Akkord-Arbeit hinter steckt.
Die Destille hatte ich zwar schon vor ca. 10 Jahren mal
besichtigt, aber die Stimmung der Gruppe war entspannt und neugierig, also kurzerhand
in eine Führung eingebucht.
Und das ist auch absolut empfehlenswert!
Hier zahlt
man vergleichsweise günstige 7,50£ für die ca. 1-stündige Tour. Im Preis mit
inbegriffen sind ein kurzes Einführungsvideos zur Stimmungs-Nivellierung und 2
Drams vor der Besichtigung (10yo Standard + 10yo Ballechin oder
wahlweise den Creme Liqör); und das
Tour-Glencairn-Glas darf man anschließend auch mitnehmen.
Kurzgesagt: super
Preis-Leistung.
Durch den massiven Input, den man bei Balvenie ja schon
bekommen hatte, was den allg. Produktionsablauf angeht, konnte man sich hier
bei der Führung kopfmäßig angenehm zurücklehnen und einfach nur treiben und
zurückfallen lassen um ein paar mehr Fotos zu machen.
Und da war dann auch wieder der Moment, der so großartig ist
in Sachen Whisky. So ist zwar der Ablauf bei allen Destillen annähernd
identisch vertraut, hat jede Destille seine Feinheiten und Unterschiede, die so
spannend sind. Bei Edradour ist allein die Gemütlichkeit so sehenswert, die
allein der "Größe" der Destille zu verdanken ist. Im Vergleich zu dem
"Riesen" Glenfarclas z. B. hat man hier das Gefühl in einem Miniatur-Modell-Dorf
umherzuwandern.
Die Brennblasen sind vergleichsweise winzig und auch die Räume
in denen alles stattfindet sind halt eher reduziert & enger.
Aber genau das
hat unglaublichen Charme.
So wird hier auch noch alles per Hand gemacht, was
bei Glenfiddich & Co schon längst automatisiert abläuft und die
Produktionsmenge im Jahr ist im Vergleich ein Wochen bis Tagespensum bei den
Großen. Aber wie immer und überall: die Größe ist nicht entscheidend ;)
Das Dunnage Warehouse der Traditions-Destille hält so neben tollen
älteren Schätzen von E. selber auch noch genug Platz für Fässer anderer
Destillen parat. So ist es auch nicht verwunderlich auf Fässer von Mortlach
oder Bunnahabhain zu stoßen (so sagt es zumindest der TourGuide). Eine weitere
Feinheit bei Edradour ist neben der schmiede-eisernen Mash Tun (die über 110
Jahre alt ist) der Morton-Refrigerator. Ein einzigartiges und nur hier
genutztes Kühlsystem für die Würze.
Insgesamt hat sich etwas nördlich von Pitlochry eine kleine
(sorry DIE kleinste) Destille etabliert, die auf jeden Fall einen Besuch wert
ist.
Geschichtsträchtig, ökologisch und stark in die lokale Infrastruktur
eingebettet erlebt man hier ein weiteres Destillen-Unikum Schotlands.
Vorbildlich finde ich hier auch die Hauseigenen Bar der
Destille. Ein urgemütliches Plätzchen (nagut ein Extra Haus), wo man nahezu
alle Abfüllungen probieren kann. Und das für echt faire Preise. Die meisten
flüssigen Leckereien kann man hier für 2,50 -5,00£ probieren. Das sollte man
auch unbedingt wahrnehmen bevor man sich aus dem Shop noch die eine oder andere
Flasche mitnimmt. So bin ich dann noch zufällig durch unseren Fahrer auf eine göttliche Ballechin
Distillery Only Abfüllung gestoßen worden:
13 Jahre reine Burgundy Weinfass Reifung
mit einem toll eingebetteten Rauchlevel und einem knackig-trockenen Finish.
Genial!
Die Bar ist für die Fahrer natürlich furchtbar, aber man
kann es ja nicht allen Recht machen ;)
Der Shop hält insgesamt eine sehr große Auswahl parat. So
gibt es sämtliche Standards, ein vielfältiges Regal vom Eigentümer Signatory
und einige tolle Distillery Only Abfüllungen neben einer
"Extra-Rar-Bottlings-Vitrine" wo man Black Bowmore und alte Port
Ellens besatunen darf.
Kurzum: Ein Besuch lohnt sich also in jeder Hinsicht und
sollte mit mind. einem Nachmittag wenn nicht sogar einer Übernachtung in
Pitlochry gekoppelt werden.
Guter Laune geht es also ca. 2h später weiter nach
Edinburgh. Auch in dieser Stadt sollten schon mind. 2 Tage am Stück eingeplant
werden. Eine wirklich tolle, alte Stadt mit einem vielfältigen und pulsierenden
Pub- und Kultur Angebot.
Passenderweise war an dem Abend auch noch ein Deutschland-EM
Spiel. Also war ein der letzte Abend in Schottland natürlich ein Selbstläufer.
Rückblickend: wer überlegt der schottischen Whisky-Kultur
ein paar Geheimnisse entlocken zu wollen, kommt um die Speyside mMn nicht drum
herum. Einige Hype-Destillen reihen sich neben unentdeckten Juwelen dicht an
dicht und bieten eine nahezu unergründliche Vielzahl an
Besichtigungs-Möglichkeiten. Zu ein paar festen Buchungen sollte man aber auch
zeitlichen Spielraum für zusätzliche Exkursionen mitbringen. Schön wäre, wenn
die Destillen etwas länger besichtigt werden könnten. So sind viele halt ab dem
späten Nachmittag für das Publikum nicht mehr zugänglich.
So oder so, lebt das ganze Business nicht durch den Whisky
allein, sondern v. a. durch das
gastfreundliche und gleichzeitig großartig charismatische Netzwerk der Menschen,
die für den flüssigen Sonnenschein verantwortlich sind. Und das ist für mich
der wahre Schatz dieses Landes.
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